Frauenförderung ist seit zwanzig Jahren etabliert, doch noch sind die damit verbundenen Ziele zur gleichberechtigten Teilhabe der Geschlechter auch in Führungsebenen und -gremien nicht erreicht. Immer wieder rufen die klassischen Ansätze der Frauenförderung Konkurrenzdenken und Widerstand hervor. Gender Training richtet im Gegensatz dazu den Fokus auf ein wertschätzendes Miteinander, die Vorzüge von Gender Diversity und die Notwendigkeit von Gender Mainstreaming auch im beruflichen Handeln.
Wenn Frauenförderung zum Geschlechterkampf wird
In der Diskussion um die Frauenquote und Frauenförderung wird regelmäßig argumentiert, dass Männer dadurch benachteiligt und um ihre Karrierechancen gebracht würden. Klassische Seminarangebote für Frauen in oder auf dem Weg in Führung folgen oft einem Defizitansatz und wirken dann stigmatisierend. Ein strategisches Konzept zur Förderung von Chancengleichheit mit flexiblen Arbeitszeiten und -orten, Job-Sharing, Familienfreundlichkeit etc. fehlt häufig noch. Und dort, wo es vorhanden ist, werden wichtige Aspekte wie Mikropolitik und Aufstiegskompetenz, Selbst-Präsentation und Netzwerken noch zu wenig berücksichtigt. Doch es wird immerhin viel diskutiert.
Der von Frauenquoten-Gegnern erfundene Begriff der „Quotenfrau“ fällt dabei fast immer und wird mittlerweile ausgerechnet von den Frauen selbst als Argument genutzt, um Karrierechancen auszuschlagen. Schließlich wollen sie nur wegen ihrer erwiesenen Leistung in attraktive Positionen befördert werden. Die Absicht, Frauen bei der Karriereentwicklung stärker zu fördern, läuft so ins Leere. Dabei werden auch Männer längst nicht nur wegen ihrer Leistungen ausgewählt, und keiner von ihnen würde einen attraktiven Job ausschlagen, wenn sich aus anderen Gründen eine solche Chance böte. Männer finden es ok, dass man in eine Position erst hineinwachsen muss, „learning on the job“ eben. Die sprichwörtliche Katze beißt sich dann in den Schwanz, wenn Frauenförderung das Gegenteil von dem erreicht, was beabsichtigt ist. Genau hier will Gender Training den konstruktiven Dialog mit Männern und Frauen gemeinsam fördern.
Gender Training: Wollen, Wissen und Können
Gender meint das „soziale Geschlecht“, also die gesellschaftlich konstruierte Geschlechterrolle und die durch Sozialisation gewachsenen Unterschiede von Männern und Frauen. Hier setzen Gender Trainings als relativ neue Maßnahmenform an.
Bislang fokussierte sich Frauenförderung vor allem auf (vermeintliche) Defizite der Frauen. Oftmals wurde ihnen in entsprechenden Schulungen vor allem vermittelt, wie sie sich am besten in einem männerdominierten Umfeld verhalten und sich anpassen können. Nichts gegen die Vermittlung entsprechender Kenntnisse im Sinne von Verstehen und „Zweisprachigkeit Mann-Frau“. Doch wenn Frauen vor allem lernen, sich wie Männer zu verhalten, dann beschneiden sich sowohl Individuen als auch Unternehmen und Teams unnötig in ihren Möglichkeiten anstatt dem großen Potenzial und Mehrwert der Vielfalt Raum zur Entfaltung zu bieten. Gender Diversity in Führrungsebenen und Teams zahlt sich aus.
Maßnahmen zur Förderung von Führungsmut, Aufstiegskompetenz und beruflichem Netzwerken sind für Frauen noch so lange hilfreich, wie sie in den althergebrachten Rollenerwartungen verhaftet sind. Das schüttelt man nicht so einfach ab. Doch wer sich auf diese Form der Frauenförderung beschränkt, bleibt quasi auf einem Auge blind. Denn für mehr Chancengleichheit brauchen ebenso Männer wie Frauen einen Wandel im Denken und Handeln, und erst gemeinsam können sie wirklich etwas Neues erzeugen. Genau dazu sollen Gender Trainings anregen.
Dabei wird den gemeinsam teilnehmenden Männern und Frauen
- verdeutlicht, warum Geschlecht bzw. Geschlechter-Stereotype (Gender) in unserer heutigen Gesellschaft eine wichtige Rolle spielen und warum eine geschlechterbezogene Bewusstseinsbildung erreicht werden sollte (Wollen),
- Kenntnisse über Gender-Theorien und Rollen-Stereotype vermittelt und mit Ihrem (Arbeits-)Alltag in Bezug gebracht (Wissen),
- im Rahmen der Sensibilisierungsarbeit neue Handlungsoptionen im privaten und beruflichen Alltag bewusst gemacht (Können).
Gender Trainings machen also die unbewussten Geschlechterrollen und -bilder sichtbar und hinterfragen diese kritisch. Dazu setzen sie den Fokus im ersten Schritt auf die grundsätzliche Sensibilisierung und auf die Anregung zur individuellen Selbstreflexion der Teilnehmenden, mit dem Ziel ihre persönlichen Einstellungen und Verhaltensweisen zu reflektieren. Die Teilnehmenden können so ihre soziale Gender-Kompetenz erweitern, was sich in veränderter Kommunikation und Interaktion im Alltag zeigt.
Im zweiten Schritt unterstützen Gender Trainings die Umsetzung gendersensibler Aspekte in den Arbeitsalltag – sowohl innerhalb der eigenen Organisation als auch in der Arbeit für ihre Kunden und Bürger. Gendersensibilität wird dabei als Analysekategorie genutzt, damit die Teilnehmenden auch unabhängig von ihrer individuellen Einstellung ein Bewusstsein dafür entwickeln können, wie unterschiedlich sich ihr berufliches Handeln für Männer und Frauen auswirken kann. Dies reicht z.B. in einer Kommunalverwaltung von der Verwendung von Sprache in Stellenanzeigen, Verordnungen oder Bekanntmachungen bis zu Entscheidungen z.B. in der Stadtentwicklung oder bei der Verteilung von Budgets und anderen Ressourcen.
In jedem Fall werden Wertschätzung für die Stärken und Verständnis für die (vermeintlichen) Schwächen des jeweils anderen Geschlechts systematisch gefördert, die Offenheit für Gender Diversity wächst. Vor allem aber wird der Gedanke unterstrichen, dass Männer und Frauen gemeinsam für eine Kulturveränderung im Sinne von Chancengerechtigkeit und Vielfalt verantwortlich sind und auch gemeinsam davon profitieren.